bookmark_borderJocelyne Saucier: A train perdu

Sanft melancholisch, nachdenklich und in einer geglückten Balance aus emotionaler Involviertheit und selbstironischer Distanz erzählt Jocelyne Saucier in A train perdu von den entlegenen Weiten, dichten Wäldern und stillgelegten Minen eines wenig bekannten Kanadas fern der Metropolen, von einem im Verschwinden begriffenen Schienennetz, das die abgelegenen Dörfer im nördlichen Ontario und Québec, einst blühende Bergarbeiterstädte, nur noch rudimentär miteinander verbindet, und von einer Frau, die dieser Gegend entstammt, die mit ihr verwachsen ist und sich am Ende ihres Lebens auf eine unumkehrbare Reise macht, mit der sie das Leben ganz unterschiedlicher Menschen aus der Region durcheinanderbringt.

Ausgangspunkt der Erzählung ist das Verschwinden, ist die Flucht, die Reise, die Mission der alten Gladys Comeau, die unangekündigt und zur großen Verwirrung und Bestürzung ihres Umfelds von heute auf morgen ihr Dorf mit dem auffälligen Namen Swastika verlässt, um — wie sich bald herausstellt todkrank — mit wechselnden Zügen quer durch das nördliche Kanada zu fahren. Ihre Route, die sich dem Zufall ergeben entlang dem teilweise schon außer Betrieb gesetzten Schienennetz entfaltet, mag von außen verwirrend erscheinen, und doch hat Gladys ein ganz bestimmtes Ziel vor Augen, das der Ich-Erzähler und selbst ernannte Chronist dieser Geschichte allmählich zu verstehen und dem Leser zu vermitteln beginnt.

Mit der Spurensuche des Erzählers, die dieser zeitlich leicht versetzt aufnimmt, taucht man in die Lebenswelt der Region ein, eine in einem nicht mehr aufzuhaltenden Wandel begriffene, gleichwohl vergleichsweise noch immer entschleunigte Welt. Die ewige Verspätung der Züge macht hier niemandem etwas aus, viele der kleinen Dörfer sind noch immer nur mit der Eisenbahn erreichbar. Jocelyne Saucier führt uns zurück in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg und bis in die Gegenwart. A train perdu ist eine Reise in die Vergangenheit des Landes und seiner Bewohner, erzählt in vielen kurzen, einfühlsamen Porträts „gewöhnlicher“ Menschen. All die Streckenarbeiter, Waldarbeiter, Erzgräber, Fallensteller, die Einwanderer und die Eingeborenen, alle führten sie ein einfaches Leben, abgeschottet vom Rest der Welt; diese „petits sauvageons des bois“ (A train perdu, S. 67) konnten kein Englisch und erhielten ihre Bildung in den sogenannten „school trains“, Schulen auf Rädern, von Güterwägen gezogen, die zwischen 1926 und 1967 in den Wäldern Ontarios die einzige Möglichkeit für die Einwohner waren, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Gladys, die am Ende ihres Lebens wieder in die rollende Welt der Züge zurückkehrt, war in dieser Umgebung sozialisiert worden, ihre Eltern waren Lehrer in den „school trains“ gewesen. Später hatte Gladys Albert, einen stillen, melancholischen Jungen aus den Wäldern, geheiratet, den sie nur ein Jahr nach der Hochzeit bei einem Grubenunglück verlor. Das gemeinsame Kind, Lisana, lebt inzwischen, längst erwachsen und selbstmordgefährdet, wieder bei ihrer Mutter. Auch sie lässt Gladys zurück, als sie sich auf ihre letzte Reise macht, ihr großes, einst so fröhliches Kind, das studiert hat und dann mit Depressionen wieder in die Heimat zurückkehrte. Man lernt auch die Nachbarn von Gladys kennen, die sich nach ihrem Verschwinden Vorwürfe machen und alles auf den Kopf stellen, um die Flüchtige wieder einzufangen, die sich ihnen jedoch geschickt zu entziehen versteht. Unterstützt wird sie dabei von Jeanette, einer Frau, der Gladys auf ihrer Reise begegnet, auch sie eine, die den Zug als Heimat begreift.

Da die écriture in diesem fein gesponnenen Text ein großes Thema und gewissermaßen der rote Faden der Geschichte ist, der sich entrollt, Knoten bildet und wieder löst wie das nostalgische kanadische Schienenetz, möchte ich noch einmal auf den selbst ernannten Chronisten und sein Schreiben zurückkommen. Seine stilistische Neigung zu Dreierschritten, die sich durch die gesamte Erzählung ziehen und am Schluss in einer ins Transzendente gewendeten, lebensbejahenden Symbolik kulminieren, ist auffällig; sie sind weniger als Klimax denn als ein Sich-Annähern zu verstehen, was der Aufgabe entspricht, die sich der Ich-Erzähler gegeben hat und die ihm geradezu eine Philosophie geworden ist, eine Einstellung, mit der er sein Dasein und das der anderen zu begreifen und einzuordnen versucht:

Mais il n’y a que Gladys, il y a tous les autres qui m’ont hélé, harcelé, harnaché à cette quête ou enquête — je ne sais plus ce que c’est — que je dois maintenant relater.
J’ai à sonder, à élucider, à comprendre mes propres motivations.

Doch nicht nur Gladys, auch all die anderen haben mich zu dieser Untersuchung oder Selbstsuche — ich weiß selbst nicht mehr, was es ist — angehalten, gedrängt, angespornt, von der ich nun Zeugnis ablegen muss.
Ich muss nachforschen, aufklären, meine eigenen Motive verstehen.

Saucier, A train perdu, S. 12 f. (Übersetzung der Rezensentin)

Von diesen anderen sollten zwei hier Erwähnung finden, da sie dem Suchen und Schreiben des Chronisten jeweils eine neue Richtung geben: erstens ein Mann mit Schal am Bahngleis, der dort die Leute ausfragt und sich als französischer Autor aus Paris entpuppt, der nach Kanada gereist ist, um dem Dorf mit diesem ungewöhnlichen, historisch vorbelasteten Namen, Swastika, auf den Grund zu gehen und seine Geschichte ans Licht zu bringen; zweitens ein Biolehrer und Freund des Chronisten, den dieser im Stadtmuseum kennengelernt hat und der sich für die Geschichte der Gegend, insbesondere für das schreckliche Grubenunglück, dem auch Gladys Mann zum Opfer gefallen war, interessiert, und der außerdem ein großes Misstrauen gegen jede Form der Ausschmückung und der Fiktion hegt.

Die Vorgehensweise des Ich-Erzählers ist denn auch geprägt von genauem Beobachten, Zuhören und Nachfragen, es ist ein feines Erzählen mit vielen Zwischentönen, das mehrere, oft auf den ersten Blick undurchsichtige Ebenen der Wahrnehmung und der Handlungsmotivation zugleich aufscheinen lässt. So gelingt auch immer wieder ein Blick unter die Oberfläche, der, wenn nicht zwangsläufig einen Widerspruch, so doch ein komplementäres Bild zu dem, was von außen sichtbar ist, erkennen lässt. Denn in den Geschichten der Menschen klingt in erster Linie eine große Zufriedenheit und Bescheidenheit auf, eine liebevolle Verbundenheit mit der Region, die früher belebter, lebendiger schien, eine Nostalgie wird spürbar, aber keine lauten Klagen, vielmehr der Stolz auf die spärlichen Früchte eines mühsamen Lebens. Die écriture von Jocelyne Saucier transformiert diese berührende, gleichwohl nicht vor Lebensfluchten und -Lügen gefeite Haltung in ihrem Text in einen menschenfreundlichen Humor angesichts einer tiefen Melancholie, eines Glückes, das vergänglich ist, flüchtig, wie die vorbeigleitenden Eisenbahnen in den Weiten eines wenig bekannten Kanada.

A train perdu ist ein Werk in Bewegung, das sich langsam, aber unaufhörlich, dem poetischen Rattern der alten Zugräder gleich, entfaltet und den Leser immer wieder mit kleinen Verschiebungen und subtilen Veränderungen überrascht. Die Begegnung mit dem Text hat wie die in ihn eingebundenen Figuren zunächst eine Zufälligkeit, die an Kontur und Tiefe gewinnt, ohne je an Offenheit zu verlieren. Ein in all seiner Realitätsnähe und Menschlichkeit wahrhaft magisches Buch!

Bibliographische Angaben
Jocelyne Saucier: A train perdu, Les Editions XYZ 2020
ISBN: 9782897722470

Bildquelle
Jocelyne Saucier, A train perdu
© 2024 Editions XYZ, Montréal (Québec)

bookmark_borderScott Thornley: Der gute Cop

Gute 5oo Seiten komplexer und dichter Krimistoff aus Kanada: Der erste Band der Reihe um den eigenwilligen Ermittler MacNeice, der im Original bereits 2012 erschien, ist etwas für anspruchsvollere und geduldigere Krimileser. Denn auch wenn ein Psychopath in diesem Buch eine wichtige Rolle spielt, handelt es sich hier keinesfalls um einen Gänsehautthriller. Es geht vielmehr um gesellschaftliche und politische Strukturen, die, natürlich in Verbindung mit bestimmten individuellen Biographien, Verbrechen und Gewalt begünstigen.

Der zentrale Schauplatz ist die fiktive Stadt Dundurn in Ontario. Hier ereignen sich gleich mehrere Fälle, in denen sich Gewalt auf erschreckende Weise Ausbruch verschafft und die Polizei, lokale Institutionen und Öffentlichkeit in Atem halten. Zum einen wird das große Hafenbauprojekt der Stadt, das nicht nur dem Bürgermeister sehr am Herzen liegt, von brutalen Morden überschattet: Bei den Bauarbeiten werden im Beton völlig entstellte Leichname gefunden. Gleichzeitig finden im Biker-Milieu mehrere Morde statt. Handelt es sich um Rachefeldzüge konkurrierender Banden oder gibt es einen Zusammenhang mit den Leichen im Hafen? Die Spur führt nämlich nicht nur in ein weit entferntes Pub in den USA, dem Stammlokal einer Gruppe von Afghanistanveteranen, sondern auch zu den ortsansässigen Betonunternehmen, für die einige der Biker Securityjobs übernommen haben.

Parallel dazu wird Dundurn von einer weiteren grausamen Mordserie heimgesucht: Der Täter scheint es auf erfolgreiche junge Frauen mit Migrationshintergrund abgesehen zu haben und es darauf anzulegen, in der Presse und vor allem in den sozialen Medien eine zweifelhafte Berühmtheit zu erlangen. So führt die Spur auch rasch zu einem jungen Mann mit Motorrad, der sich vor kurzem aus dem sozialen Leben zurückgezogen hat. Davor hatte er als Demograph und Statistiker gearbeitet; ein brillanter Kopf, ein introvertierter, arroganter Nerd mit einem maskenhaften Dauerlächeln im Gesicht, so beschreiben ihn die ehemaligen Kollegen, der sich in einem wirren Gespinst aus rassistischen und demographischen Theorien verloren hat. Wir Leser lernen ihn in einigen kurzen Kapiteln persönlich kennen, als eine etwas unheimliche, manisch-besessene Figur, die ununterbrochen Monologe bzw. Zwiegespräche mit ihrem Spiegelbild führt. Der Autor gibt uns auf diese Weise einen kleinen Einblick in die Perspektive des Täters, in seine Logik, sein wahnsinniges, aber eben doch methodisches Denken, ohne ihn und seine Motive jedoch ganz zu Ende zu erklären. So bleibt dieser zugleich kalte und rasende Mensch schwer greifbar, er entzieht sich immer wieder, da ergeht es den Lesern genauso wie den Ermittlern, die ihm nur entgegentreten können, indem sie sich auf sein tödliches Spiel einlassen. Denn eine der Polizistinnen, die für MacNeice mehr ist als eine geschätzte Kollegin, die junge und attraktive promovierte Kriminologin Fiza Aziz, fällt genau in das Beuteschema des Täters und soll der Lockvogel werden, mit dem die Ermittler ihn zu Fall bringen wollen. Ein riskantes Spiel…

Immer wieder ringen die Figuren darum, sich nicht zu stark in den Fall hineinziehen zu lassen, professionell zu bleiben und doch das Äußerste zu geben. Dass das alles andere als ein leichtes Unterfangen ist, zeigt Scott Thornley, indem er seine Figuren genau beobachtet und mit einem Gespür für psychologische Feinheiten immer wieder indirekt charakterisiert:

„Ich glaube nicht, dass seine Erkrankung mit dem Tod seiner Eltern zu tun hat. Er muss schon länger krank sein. Ihr Tod war möglicherweise der Auslöser für alles…“ MacNeice fiel auf, dass Aziz sehr darum bemüht war, jeglichen Abscheu, den sie gegenüber William Dance vielleicht empfand, zu unterdrücken. „Wenn er sich ein Kapitel in den Psychopathologie-Lehrbüchern sichert, dann nicht durch die Morde, sondern durch seinen Gebrauch des Internets“, fügte sie hinzu.

Thornley, Der gute Cop, S. 264

Das ist es im Übrigen auch, was auch den Autor in diesem Fall besonders zu interessieren scheint: nicht die psychopathische Gewalt an sich, als Selbstzweck der Spannung, sondern ihre hinterfragende Einbettung in den gesellschaftlichen und medialen Kontext.

Was ich beim Lesen außerdem sehr wohltuend fand, war der feine Humor, etwa in so manchen Wortwechseln des Ermittlerteams: ein befreiender, menschlicher Gegenpol zur Schwere der fast omnipräsenten Gewalt. Auch wenn es dem Autor ernst mit den Themen und Diskursen ist, die er in seinen Roman einfließen lässt, wirkt seine Geschichte dennoch alles andere als belehrend oder moralisierend. Das gelingt ihm auch dadurch, dass er die verhandelten gesellschaftspolitischen Konflikte von Zeit zu Zeit ironisch bricht, ohne jedoch polemisch zu werden oder sie ins Lächerliche zu ziehen. Immer steht der einzelne Mensch im Vordergrund, nicht der Diskurs, so auch im folgenden Beispiel, einem Auszug aus einem Dialog von MacNeice mit seinem afrokanadischen Mitarbeiter, der gerade Kontakt mit den Kollegen in den USA aufgenommen hat:

„Das macht richtig Spaß, diese grenzüberschreitende Polizeiarbeit. Demetrius wollte wissen, ob ich aus der Karibik stamme. Er konnte nicht glauben, dass meine Familie schon seit Generationen in Kanada ansässig ist — und aus einem Ort namens Africville stammt.“ — „Woher wusste er, dass Sie schwarz sind?“ — „Das weiß man, Sir. Das weiß man einfach.“

Thornley, Der gute Cop, S. 363

Auch wenn MacNeice‘ Ermittlerkollegen individuelle Züge bekommen, die das Potential haben, in den Folgebänden noch weiter ausgeschöpft zu werden, steht im Zentrum doch ganz klar der Kommissar selbst, Detective Superintendent MacNeice. Er ist der „gute Cop“ des Titels, der, so knapp und affirmativ er formuliert ist, es fast schon erzwingt, dass man sich während des Lesens die Frage stellt, ob man diesen Cop wirklich ohne Abstriche einen guten nennen kann. MacNeice ist auf jeden Fall eine äußerst interessante Figur, sympathisch mit all seinen Schrullen, unbestechlich, aufrichtig, mutig und voller Einsatz für die Gerechtigkeit, wenngleich seine guten Eigenschaften mitunter dazu neigen, ins Extrem zu kippen. Mehrfach im Roman riskiert er nicht nur sein Leben, sondern setzt ungewollt auch das seiner Kollegen aufs Spiel. Trotz seiner unbestreitbaren Qualitäten als Chef eines loyalen und gewitzten Teams ist er nämlich auch eine gebrochene, psychisch angeschlagene Figur; den Tod seiner Frau vor vier Jahren hat er noch nicht wirklich verarbeitet, er wird von Alpträumen, Halluzinationen und Schlaflosigkeit geplagt und tröstet sich in seinen einsamen vier Wänden mit dem einen oder anderen Grappa oder der einen oder anderen übersinnlichen Kommunikation mit der Verstorbenen. Diese etwas spleenig anmutende Sensibilität macht ihn jedoch gerade zu dem genialen — nicht fehlerfreien — Ermittler, der er ist: Er ist empathisch, hat feine Antennen und ein großes psychologisches Gespür. Insgesamt also ein Cop, der „irre cool, aber auch irre verrückt“ ist:

„Meiner Meinung nach, Mac, hätten Sie mitsamt Ihrem Team ums Leben kommen können. Es war reines Glück, dass es anders ausgegangen ist.“ — „Glück hat viel damit zu tun, da stimme ich zu. Aber das Risiko, das ich eingegangen bin, war wohlkalkuliert.“ (…) „Gut, in Ordnung. Hören Sie, ich möchte ehrlich mit Ihnen sein, trotzdem frage ich mich, ob Sie nicht manchmal eine Todessehnsucht umtreibt.“ — „Eigentlich nicht.“ MacNeice tat so, als würde er wirklich darüber nachdenken — und musste erkennen, dass es tatsächlich so gewesen war, und mehr als einmal. „Es gibt da nämlich einen verwundeten Polizisten im Dundurn General, der ist der Ansicht, dass dem so sein. Er hat sie als ‚irre cool, aber auch irre verrückt‘ beschrieben.“ MacNeice zuckte mit den Schultern.

Thornley, Der gute Cop, S. 339

Der einzige Vorwurf, den man dem Roman machen könnte, ist, dass er vielleicht etwas vollgepackt ist mit krassen Verbrechen, Explosionen und lebensgefährlichen Einsätzen. Doch zum Glück bewahrt sich der Autor einen sehr realistischen, lebensnahen Stil, sehr lebendig und frei von Plattitüden; auch die viele Action ist kein sensationsheischender Selbstzweck. Bei den spektakulären Einsätzen der Polizei, ebenso wie auch bei den Vernehmungen, werden genauso die langen Zeiten der Vorbereitung und des Abwartens dargestellt. In den vielen Dialogen, in denen übrigens eine der großen Stärken des Romans liegt und die auch sehr idiomatisch ins Deutsche übersetzt sind, bringt Thornley überzeugend das Nervenspiel und die manchmal schier unerträglichen Geduldsproben zum Ausdruck, die Teil der Polizeiarbeit sind. Hinzu kommt, dass die Frage, wie man in Momenten handelt, in denen man überfordert ist, in denen alles gleichzeitig über einem zusammenbricht, gerade ein wichtiges Thema, dem der Autor in seinem Krimi nachgeht. So dient ihm die Dichte der Handlung und die Komplexität der Fälle gerade dazu, die Herausforderung darzustellen, die es bedeutet, wenn man binnen Sekunden eine folgenschwere Entscheidung treffen, den Einsatz von Menschenleben kalkulieren oder Moral und Würde, Professionalität und Gerechtigkeit gegeneinander abwägen muss. Wie groß darf das Risiko sein, dass man eingeht, wie viel Rücksicht ist geboten, auch gegenüber sich selbst, wie weit muss man, wie weit darf man gehen?

Manchmal hätte ich mir noch ein bisschen mehr von den eindringlichen einsamen Szenen im Haus von MacNeice gewünscht, in denen der Polizist auf sein Seelenleben zurückgeworfen ist und die fast wie geschriebene Stillleben anmuten. Aber dieser Krimi war ja erst der Auftakt der Reihe um MacNeice, ich bin also mehr als zuversichtlich, dass da in den folgenden Bänden mit ihm noch einige existentialistische Momente zu erleben sind.

Bibliographische Angaben
Scott Thornley: Der gute Cop, Suhrkamp 2020
Aus dem Englischen von Karl-Heinz Ebnet und Andrea O’Brien
ISBN: 9783518470817

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